Autor: Sven Kiesow
Die transaktionsbezogene Nettomargenmethode ist in der Verrechnungspreispraxis sehr verbreitet und wird mittlerweile von der deutschen Finanzverwaltung – wenn auch nur unter Einschränkungen – anerkannt. Kennzeichnend für diese Verrechnungspreismethode ist der Verwendung von Nettorenditekennzahlen vergleichbarer Unternehmen. Oftmals unterhält das Unternehmen mehrere Geschäftsbereiche. Dann sind die auf die einzelnen Geschäftsbereiche entfallenden Einnahmen und die diesen zuzurechnenden Betriebsausgaben mittels einer Spartenrechnung gesondert zuzuordnen. Problematisch ist dabei vor allem die Verrechnung von Gemeinkosten. Diese Kosten dominieren mittlerweile die Kostenstruktur der Unternehmen und stellen oft mehr als 50 % der Gesamtkosten dar. Umso bedeutsamer ist deren verursachungsgerechte Zuordnung auf die einzelnen Geschäftsbereiche, insbesondere dann, wenn der Nachweis einer funktions- und risikogerechten (Mindest-)Nettorendite für Routinetätigkeiten gelingen soll.
Seit 2003 besteht für Unternehmen, die mit nahestehenden Personen im Ausland Geschäftsbeziehungen unterhalten, gem. § 90 Abs. 3 AO eine gesetzliche Verpflichtung zur Dokumentation von Verrechnungspreisen. Art, Inhalt und Umfang der dabei zu erstellenden Verrechnungspreisdokumentation werden zusätzlich durch die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) bestimmt.
Zudem hat die deutsche Finanzverwaltung ihrerseits durch das BMF-Schreiben vom 12. 4. 2005 (die sog. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren – VerwGr-Verfahren – IV B 4 – S 1341 – 1/05 NWB VAAAB-52369) den Umfang der Dokumentationspflicht konkretisiert. Dieses Verwaltungsschreiben bindet zwar nur die deutschen Finanzbehörden, hat aber in der Verrechnungspreispraxis erhebliches Gewicht (vgl. Seer, IWB 10/2012 S. 350). Grundsätzlich soll der Verrechnungspreis für eine konzerninterne Geschäftsbeziehung vorrangig nach der Preisvergleichsmethode, der Wiederverkaufspreismethode oder der Kostenaufschlagsmethode (den sog. Standardmethoden) bestimmt werden (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG).
Mitunter lassen sich die Standardmethoden jedoch nicht bzw. nicht verlässlich anwenden, z. B. wenn aufgrund von nicht vorhandenem bzw. unzureichendem Datenmaterial keine Fremdvergleichsdaten ermittelbar sind bzw. diese zu unvernünftigen Ergebnissen führen (vgl. Kraft in: Kraft,
AStG, 2009, § 1, Rn. 238). Die deutsche Finanzverwaltung gestattet in solchen Fällen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen – auch die Verwendung gewinnorientierter Verrechnungspreismethoden, darunter die transaktionsbezogene Nettomargenmethode (TNMM).
Bei der TNMM werden (Netto-)Renditekennzahlen vergleichbarer Unternehmen (Nettomargen, Kostenaufschläge, Gewinndaten bezogen auf das eingesetzte Kapital, auf die eingesetzten Wirtschaftsgüter, auf die operativen Kosten, auf den Umsatz usw.) für die jeweilige Transaktion bzw.
für eine Gruppe zusammengefasster Transaktionen verwendet (vgl. VerwGr-Verfahren, Tz. 3.4.10.3. Buchst. b). Sie ist in ihrer Anwendung in der Praxis sehr verbreitet. So wird in drei Vierteln aller EUFälle eine Anwendung dieser Verrechnungspreismethode für wahrscheinlich gehalten (vgl. Vögele/Raab in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 3. Aufl. 2011, S. 325, Fn. 242 m. w. N.).
Die Finanzverwaltung erlaubt die Anwendung der TNMM indes nur unter folgenden Voraussetzungen (vgl. VerwGr-Verfahren, Tz. 3.4.10.3. Buchst. b):
Der Nachweis (eingeschränkt) vergleichbarer Fremdvergleichsdaten erfolgt in praxi in erster Linie durch Einsatz von Datenbankenstudien (vgl. Vögele/Crüger/Witt/Sedlmayr/ Fügemann in: Vögele/Borstell/Engler, a. a. O., S. 634). Allerdings haben Datenbankanalysen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kaum praktische Relevanz.
Gleichwohl hat die TNMM auch für diese Unternehmen eine gewisse Bedeutung. Denn die Finanzbehörden verwenden die TNMM über die o. a. Fallkonstellationen hinaus als Schätzverfahren in Betriebsprüfungen, insbesondere wenn keine oder im Wesentlichen unverwertbare Aufzeichnungen
vorliegen (§ 90 Abs. 3 AO i. V. mit § 162 Abs. 3 AO; § 1 Abs. 1 Satz 4 GAufzV; VerwGr-Verfahren, Tz. 3.4.10.3. Buchst. b, Tz. 3.4.19., Tz. 4.1., Tz. 4.5. und Tz. 4.6.2.). Da in der Praxis zu beobachten ist, dass KMU ihre Verrechnungspreise vielfach nur unzureichend dokumentieren, setzt die deutsche Finanzverwaltung in Betriebsprüfungen zunehmend auch bei KMU die TNMM als Schätzmethode ein.
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